Mobbingforschung


Definition des Begriffs Mobbing unter wissenschaftlichen Aspekten

Der schwedische Dipl. Arbeitspsych. Prof. Heinz Leymann, der den Begriff Mobbing entscheidend mitprägte und in der Mobbingforschung als Pionier gilt, entwickelte in den 80-ern mittels einer qualitativen Interviewuntersuchung (n=300) ein System, das die von ihm insgesamt 45 beobachteten Mobbinghandlungen in 5 Übergruppen klassifiziert. Mit diesem System kann analysiert werden, ob jemand als Mobbingopfer bezeichnet werden kann. Lt. Leymann beschreiben folgende Handlungen Mobbing, wobei berücksichtigt werden muss, dass eine einzelne Handlung aus dieser Liste noch niemanden zum Täter bzw. den Betroffenen zum Mobbingopfer macht.

 

1. Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen


2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen


3. Auswirkungen auf das soziale Ansehen


4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- u. Lebenssituation


5. Angriffe auf die Gesundheit


Lt. Leymann ist der Mobbingprozess in 4 Phasen wie folgt unterteilbar:

Phase 1: Ungelöster Konflikt

Am Anfang eines jeden Mobbingverlaufs steht ein ungelöster Konflikt. Mobbing kann entstehen, wenn der Konflikt nicht lösbar ist, sich aber auch niemand um die Bearbeitung des Konflikts kümmert. Im Laufe der Entwicklung hin zu Mobbing tritt der ursprüngliche Konflikt immer mehr in den Hintergrund. Aus einem sachlichen Konflikt wird eine persönliche Auseinandersetzung.

 
 
Phase 2: Der Psychoterror beginnt

Einer der Beteiligten wird zur Zielscheibe. Die Beteiligten denken sich Handlungen aus, um der jeweiligen Person zu schaden. Hierbei kann man vielerlei Veränderungen bei den betroffenen Personen feststellen. Sie werden unfreundlich, misstrauisch, pampig oder verständlicherweise oft aggressiv. Andere leiden eher still und wirken den ganzen Tag bedrückt. Diese Reaktionen sind ganz normale Reaktionen, wenn sie direkt nach einem Konflikt auftreten.

 
 
Phase 3: Erste arbeitsrechtliche Maßnahmen beginnen

Typisch für den Verlauf des Mobbings ist eine Steigerung der Aggression, vor allem wenn sich das Mobbingopfer nicht wehrt. Die Angriffe auf das Mobbingopfer erfolgen immer offener und können jetzt sogar körperlicher Natur sein. Die Situation eskaliert. Beim Mobbingopfer kommt es zu einem verringerten Selbstwertgefühl und Konzentrationsschwierigkeiten, wodurch es vermehrt Fehler macht und Anlass zu neuen Schikanen gibt. Seine Leistungsfähigkeit wird infrage gestellt, die Arbeit ständig kritisiert (Entwertung der Arbeit), wodurch der psychische Druck weiter steigt. Der Mobbingbetroffene ist zu einem „Problemmitarbeiter“ geworden und hat aufgrund der psychosomatischen Beschwerden zu viele Fehltage. Darauf folgen für das Mobbingopfer oft arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnung, Versetzung oder eine Kündigungsandrohung.

 
 
Phase 4: Das Arbeitsverhältnis wird zwangsweise beendet

Fortgeschrittene Mobbingfälle enden meist mit einem Ausschluss aus dem Arbeitsleben. Entweder kündigen die Betroffenen selbst, weil sie es nicht mehr aushalten oder sie werden vom Arbeitgeber unter einem Vorwand gekündigt. Andere willigen unter dem großen Druck in einen Auflösungsvertrag ein, weil sie keinen anderen Ausweg aus ihrer qualvollen Situation mehr sehen, als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wenn das passiert, haben die Mobber ihr Ziel erreicht. Ein Teil der Mobbingbetroffenen leiden unter so starken psychosomatischen Krankheiten, dass sie auf Dauer krankgeschrieben werden und ggf. sogar in der völligen Erwerbsunfähigkeit landen können.

 
 
Weitere wissenschaftliche Erkenntnisse

Die deutschen Wissenschaftler Dr. Jur. Martin Wolmerath, Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter für Recht und ehrenamtlicher Richter und der phil. Dipl.-Psych. Dr. Axel Esser kamen ohne Anspruch auf Vollständigkeit sogar auf über 100 verschiedene Mobbinghandlungen. Typische Mobbinghandlungen betreffen etwa organisationale Maßnahmen (z. B. Kompetenzentzug oder Zuteilung sinnloser Arbeitsaufgaben), soziale Isolierung (zum Beispiel Meiden und Ausgrenzen der Person), Angriffe auf die Person und ihre Privatsphäre (etwa Lächerlichmachen der Person), verbale Gewalt (zum Beispiel mündliche Drohung oder Demütigung), Androhung oder Ausübung körperlicher Gewalt und Gerüchte.

Lt. des renommierten und vielfach – teils auch in Urteilen – zitierten Arbeits- und Organisationspsychologen Prof. Dr. Dieter Zapf, Inhaber des Lehrstuhls der Goethe-Universität Frankfurt, wurde durch verschiedene Studien in Deutschland und in der Schweiz das Phänomen „Mobbing“ wissenschaftlich beleuchtet. Dabei wurden Beginn, Dauer, geschlechtsspezifische Aspekte, Position der Mobber sowie Vorkommen von Mobbing in unterschiedlichen Branchen untersucht. Ursachen von Mobbing wurden in der Organisation, im sozialen System (Arbeitsgruppe), im Täter und im Opfer gefunden. Außerdem wurden die betrieblichen und gesundheitlichen Folgen und die Bewältigung von Mobbing untersucht und festgehalten, dass „Mobbing stresstheoretisch als Extremform sozialer Stressoren eingeordnet werden kann“.

Idealtypisch gibt es lt. Prof. Dr. Zapf zwei Arten von Mobbing:
Die eine beruht darauf, dass ein Chef ein unmöglicher Mensch – wissenschaftlich gesprochen, eine dissoziale Persönlichkeit – ist (siehe Interview “Am besten wehrt man sich früh”). Beispielsweise wirkt in München ein Chefredakteur, der das fertige Heft im letzten Moment immer noch einmal neu machen lässt. Dabei dreht es sich nicht um Qualität, sondern um Macht. Wenn im Unternehmen Vorgesetzte und Mitarbeiter sonst gut miteinander umgehen, wird so ein Inseltyrann sich nicht allzu lange halten können.

Gefährlicher ist Mobbing als kühl und durchaus professionell angewandte Sozialtechnik, mit der Vorgesetzte, oft in höherem Auftrag, Leute aus dem Unternehmen zu drängen versuchen. Der Konfliktberater, Thomas Ketnath, der für die Kolping-Akademie München Mobbingopfer berät, drückt das so aus: “Früher fand der Mitarbeiter manchmal seine Tür versperrt. Heute sind die Techniken raffinierter.” Mobbing könne, “juristisch geschickt eingefädelt”, Teil eines Plans sein, unerwünschte Beschäftigte loszuwerden. Opfer seien oft ältere oder mit körperlichen Nachteilen behaftete Menschen, hin und wieder aber auch “besonders gute Leute, die anderen etwas vormachen”.

 

Mögliche Folgen des Mobbing

Weiterhin hat Mobbing auch lt. Forschungsstudien weitreichende nachteilige Folgen für die Gesundheit sowie für die berufliche und private Situation des Mobbingbetroffenen. 

Studien zufolge gaben mehr als 90 % der deutschen Mobbingbetroffene an, dass regelmäßige feindselige Angriffe negative Gefühle und starke Verunsicherungen bei ihnen auslösen und dass Mobbing sich auf ihr Arbeits- und Leistungsverhalten auswirkt. Folgen der feindseligen Erlebnisse waren lt. Mobbing-Report

Zudem erkranken lt. Mobbingreport über 40 % der Betroffenen wegen Mobbing, wovon fast die Hälfte davon länger als sechs Wochen krank wurde. Posttraumatische Belastungsstörungen gelten beispielsweise als gesundheitliche Mobbingfolgen. Die privaten und familiären Auswirkungen von Mobbing auf die Betroffenen sind vielschichtig. Lt. Mobbing-Report gehörten

zu den häufigsten Folgen.

Die Folgen von Mobbing gehen lt. Forschungsergebnissen ganz erheblich über einen bloßen Verlust von Lebensqualität des Mobbingopfers hinaus.

 


Mögliche Ursachen des Mobbing

Mobbing ist ein Phänomen, das lt. Untersuchungen die letzten Jahre drastisch und für die Betroffenen auch in dramatischer Art und Weise zugenommen hat. Mobbing am Arbeitsplatz kann aus Spannungen im Sozialgefüge entstehen. Als Gründe für das möglicherweise höhere Mobbingrisiko von Frauen lassen sich zunächst geschlechtshierarchische Einflüsse vermuten. Aber auch formale Aspekte, wie die Zugehörigkeit zu hierarchischen Positionen, weniger etablierte Stellung in Organisationen oder weniger abgesicherte Arbeitsverhältnisse zeigen hier Wirkung. Die Ursachen von Mobbing sind schwierig festzustellen und ebenso komplex und vielschichtig wie Mobbing selbst.

Die Mobbingforschung versucht, die Ursachen dieses Phänomens zu ergründen. Es wird allgemein angenommen, dass einerseits situative Faktoren sowie andererseits Persönlichkeitsmerkmale des Opfers und des Täters für das Auftreten von Mobbing verantwortlich sind. Forscher, die Mobbing als komplexen psychosozialen Prozess betrachten, lassen dem Arbeitsumfeld, der Organisation, allen Beteiligten und dem Wesen zwischenmenschlicher Interaktion in Organisationen eine maßgebliche Bedeutung zukommen.

Manche Mobbingforscher bescheinigen, dass Mobbingopfer im Durchschnitt ängstlicher, unterwürfiger und konfliktscheuer sind. Da es sich bei den Studien dazu ausschließlich um Querschnittsuntersuchungen handelt, sind die Befunde stark umstritten. Ohne Längsschnittstudien ist nicht auszuschließen, dass diese Unterschiede in der Persönlichkeit von Opfern nicht die Ursache, sondern die Folge des jeweiligen Mobbingvorfalls sind.

Als weitere Ursache für Mobbing kommt die Persönlichkeit des Mobbers in Betracht. Einige Autoren gehen davon aus, dass Menschen zu Mobbern werden, um ihr schwaches Selbstvertrauen zu kompensieren. Einige Untersuchungen unterstützen diese Annahme aber nicht. Manche Forschungsergebnisse weisen auf das Gegenteil hin. Das heißt, dass die Täter im Durchschnitt selbstbewusster und weniger ängstlich sind.

Am weitesten verbreitet   ist unter Forschern die Annahme, dass strukturelle Faktoren Mobbing auslösen.  So ist Mobbing eine Waffe (soziale Sanktion) im innerbetrieblichen Wettstreit um knappe Ressourcen (Aufstiegspositionen, Arbeitsplatzsicherheit). Bei wachsender volkswirtschaftlicher Konjunktur nimmt das innerbetriebliche Mobbing daher ab, in der Rezession– wenn vor allem die Arbeitslosigkeit bedrohlicher wird – zu.
Äußerst schlechte Arbeitsorganisation und Produktionsmethoden wie etwa unklare Zuständigkeiten, Monotonie, Stress, allgemeine Mängel in der Kommunikations- und Informationsstruktur, ungerechte Arbeitsverteilung, Über- und Unterforderung, widersprüchliche Anweisungen, mangelnder Handlungsspielraum oder Kooperationszwänge gelten als Ursachen für Mobbing. Begünstigende Faktoren, wie etwa „Wasser predigen und Wein trinken“ seitens des Managements, Konkurrenz unter den Mitarbeitern oder eine Organisationskultur, die keine hemmenden Mechanismen gegen Mobbing hat, kommen hinzu. Tiefgreifende organisatorische Veränderungen gelten ebenfalls als Auslöser für Mobbing. Das Risiko, gemobbt zu werden, ist in Organisationen, in denen technologischer Wandel oder eine Änderung der Eigentümerstruktur stattfinden, deutlich größer.

Gewerkschaften und Forscher berichten, dass einige Unternehmen Mobbing als Strategie verwenden, um (bestimmte) Mitarbeiter zur Eigenkündigung zu bewegen, und sie somit Kündigungsschutzvorschriften unterlaufen oder Abfindungszahlungen vermeiden. 

Auf der theoretischen Betrachtungsebene werden unterschiedliche soziale Phänomene angeführt, welche als Ursache für Mobbing herangezogen werden. Manche Experten nennen Stigmatisierung und Sündenbockphänomene als Ursachen. Andere Forscher konstatieren, dass ein Konflikt die Ursache für Mobbing ist. Empirische Befunde zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen Mobbing und Rollenkonflikt gibt.    

 
 

 

Mobbing - Ein Luxus, den man sich leisten können muss!

Mobbing verursacht lt. Studien jährlich wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe.  Es ist von hohen volks- und betriebswirtschaftlichen „Konfliktkosten“ auszugehen. Schätzungen zufolge reichen diese finanziellen Schäden weit in den zweistelligen Milliardenbereich hinein. Sie sind verursacht durch Heilbehandlungen und Rehabilitationskuren oder gar Dauerarbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und Frühverrentung der Betroffenen. 

Aber auch dem einzelnen Unternehmen bzw. der Institution entstehen nennenswerte finanzielle Belastungen. Dazu zählen Fluktuation, sowie Minderleistung und Fehlzeiten des Mobbingbetroffenen. Dazu kommen die wesentlich höheren „indirekten“ Kosten. Direkte und indirekte Kosten beinhalten u. a. Fehlkosten, Kosten durch direkten Leistungsverlust der beteiligten Mitarbeiter, Kosten durch Störungen der sozialen Arbeitsgemeinschaft, Motivations-, Kreativitäts- und Imageverlust (Reputation) usw. 

Gesicherte Berechnungen zu den durchschnittlichen Kosten von Mobbingfällen existieren gegenwärtig nicht.

 

 
 
Trauriger Verlust eines Wertesystems - Es gibt viel zu tun

Der Bedarf an öffentlicher Information und Sensibilisierung sowie an konkreten Hilfen für Betroffene ist lt. dieser Studie längst nicht gedeckt. Hierfür sprechen regelrechte Anstürme auf Mobbingberatungsstellen. Über die Hilfe für Mobbingbetroffene hinaus, könnten im Gesundheitsbereich (z. B. Ärzte/Ärztinnen, Betriebsärzte/Betriebsärztinnen, Arbeitsmediziner/innen und Arbeitsschutzexperten und -expertinnen) und in der Justiz (z. B. Anwälte/Anwältinnen, Arbeitsrichter/innen, Staatsanwälte/Staatsanwältinnen) Fortbildungsmaßnahmen sinnvoll sein, die das Verständnis für das ernstzunehmende Problem schärfen und dazu beitragen, Mobbing in für die Betroffenen angemessener Weise zu bearbeiten.

Möglicherweise kann vor allem die Prävention gegen Mobbing in jeglicher Hinsicht Sinn machen. Denn nicht zuletzt würde eine entsprechende Aufklärung für Arbeitgeber und Vorgesetzte das Problem an der Wurzel packen bzw. bereits im Keim ersticken.

Haben Sie Fragen oder benötigen Unterstützung? Dann schreiben Sie mir gerne unter

                                                  mobbingprozess@gmx.de

 

 

Hinweis/Quellen:
Dr. jur. Martin Wolmerath – Rechtsanwalt, Lehrbeauftragter für Recht und ehrenamtlicher Richter
Prof. Dr. Dieter Zapf – Mobbingforscher Goethe-Universität Frankfurt
Prof. Dr. Dieter Zapf – Mobbing – Eine extreme Form sozialer Belastungen
Wikipedia – Mobbing (Begriffsdefinition)
Wikipedia – Mobbing (Ursachen)
Wikipedia – Mobbing (Gesundheitsfolgen)
Wikipedia – Mobbing (Kostenfolge)

 

 
 
Nach oben scrollen